GEORG & MARTIN FUSSER - LAGENWEINE und zwei Newcomer aus der Pfalz



TERROIR - das Wort laut ausgesprochen und schon geht ein Gespenst um in der Weinszene...
Benutzt man diesen Begriff, kann man davon ausgehen, dass er sofort heftige Diskussionen bei den Mitgliedern aller Weinforen auslöst. Was versteht man darunter? Kann man Steine schmecken? Wie kommen die Mineralien in die Beere? Nach einer solchen Diskussion habe ich mich vor einiger Zeit mal intensiver mit dem Thema auseinander gesetzt und meine Sichtweise versucht darzustellen: Mineralität, Salzigkeit oder alles nur Chemie..?. Versucht, darzustellen. Doch es gibt immer wieder neue wissenschaftliche Erkenntnisse dazu. Aber, bisher immer noch keine, die erklären, wieso Weine aus bestimmten Lagen eine gewisse Typizität haben.

Jenseits aller wissenschaftlicher Erkenntnisse ist für mich ist der Begriff - ich wage ihn schon fast gar nicht mehr zu erwähnen - immer eng mit der Seele des Winzers verbunden. Ja, mit dem Winzer! Der wird bei der ganzen Lagendiskussion oft vergessen, dabei ist er es, der letztendlich das Kunstwerk aus dem Rohstoff, den die Lage und die Rebe vorgibt, schafft. Den von Hugh Johnson geprägten Satz habe ich persönlich verinnerlicht und kann nix mehr dagegen machen. ;-)
"Der Begriff " Terroir " umfasst die gesamte Ökologie einer Weinbergslage, alle ihre Aspekte vom Felsuntergrund bis hin zu Spätfrösten und Herbstnebel, ja auch die Weinbergspflege und schließlich auch die Seele des Winzers."


LAGENTYPIZITÄT

Soll heißen, der Weinbergboden ist so eine Art Festplatte, dort sind Daten wie der Gesteinsuntergrund und die Mineralienzusammensetzung in Kombination mit dem Abbau durch Bodenlebewesen gespeichert. Doch auch die Weinberglage, ihre Topografie, die Hangneigung und Standortfaktoren wie Niederschlagsmenge, Temperaturunterschiede spielen eine wichtige Rolle für die Ausprägung und Zusammensetzung des Saftes, der in den Beeren bestimmter Reben heranwächst und schließlich im Keller zu Wein vergoren wird. Oder basiert das Geheimnis des Terroirs doch nur auf Bakterien?

Jenseits aller Diskussionen wie groß der Einfluss des Terroirs, der Lage auf den Wein ist und welchen Anteil die Kunst des Winzers an seiner charakteristischen Ausprägung hat, sind bestimmte Lagentypizitäten einfach schmeckbar. Neulich auf der Weinmesse Pfälzer LagenArt auf dem Hambacher Schloß im März 2015 zog sich beispielsweise ein gewisser kreidiger, würziger, karger leicht bitterer Grundton durch alle Weine, die vom Landschneckenkalk der KLEINEN KALMIT (bei Ilbesheim, Südliche Weinstraße) stammten. Sei es bei Ackermann, bei Pfirmann, Kranz oder bei Sven Leiner. Alle hatten diesen Biss und den Grundton. Die Endprodukte auf der Flasche, die Rieslinge, Weiß- oder Grauburgunder, waren jedoch jenseits des gemeinsamen Grundtons so unterschiedlich wie die Rebsorten und die Winzercharaktere, die diesen Wein ausbauten. Jeder mit einem ganz eigenen Stil. Es ist die von Hugh Johnson beschriebene "Seele des Winzers", die dem Wein die ganz charakteristische Ausprägung gibt.


VIEL GERÜHMTE WEINBERGSLAGEN

Nun von der Kleinen Kalmit in der Südpfalz zur MITTELHAART, dem bekanntesten Kernstück der Pfalz. Sie beginnt nördlich von Neustadt an der Weinstraße. Bekannt ist dieses Gebiet vor allem durch die Weinbauorte Deidesheim, Bad-Dürkheim, Wachenheim und Forst. Und durch Helmut Kohl.
Seit Bismarcks Zeiten spricht man geradezu ehrfürchtig von den "drei Großen B´s", also den Weingütern Bürklin-Wolf, Reichsrat von Buhl und Geheimer Rat Dr. von Bassermann-Jordan, die sowohl qualitativ als auch von der Fläche her zu den ganz Großen der Pfalz gehören. Und neuerdings auch wieder vom ebenfalls traditionsreichen Weingut von Winning, das früher Dr. Deinhard hieß und zusammen mit von Buhl und Bassermann-Jordan in Deidesheim ansässig ist. Unter der Leitung des Geschäftsführers Stephan Attmann bringt von Winning große Rieslinge mit ganz eigener Stilistik hervor. Zu Recht "gehyped", wobei der Einsatz von neuem Holz beim Riesling nicht jedermanns Sache ist.

Gerühmt und berühmt sind auch die Weinbergslagen an der Mittelhaart mit großen Namen wie das Forster Ungeheuer, einer Einzellage, die schon der Reichskanzler Fürst Otto von Bismarck Ende der 1880er Jahre mit dem Satz „Dieses Ungeheuer schmeckt mir ungeheuer.“ gewürdigt hat.
Auch das Forster Kirchenstück und der Forster Pechstein (mit seltenen Basaltgesteinen vom Pechsteinkopf, einem uralten Vulkan). Vom Weinjournalisten Stuart Pigott mal als die "Grand Cru Lagen der Pfalz" bezeichnet.

Bekannt sind auch der Ungsteiner Herrenberg und der Weilberg, hier findet man die eher im Mittelmeerraum beheimateten und in der Pfalz ganz seltenen Terra Rossa Böden

Kalk ist ebenfalls eher selten in der von Buntsandsteinböden geprägten Pfalz. Kalkböden findet man beispielsweise im Kallstadter Saumagen, einer Einzellage, in der die Reben auf einem Untergrund aus Lösslehm und Kalkmergel stehen. Die seltenen Kalkböden findet man auch noch ganz im Süden - eben auf der oben erwähnten Kleinen Kalmit - oder ganz im Norden in Bockenheim und Kindenheim und Asselheim und im Zellertal. Und dann noch im Reiterpfad, an der Mittelhaart...



GEORG und MARTIN FUSSER, Niederkirchen bei Deidesheim



Und ganz am Rande - oder doch inmitten - dieser berühmten und bekannten Namen und Weinbergslagen an der Mittelhaart gibt es nun zwei Brüder aus Niederkirchen bei Deidesheim, die still und heimlich (noch..) große Weine mit einer Eleganz und feinen Länge produzieren. Wenige. Ein sehr junger Betrieb. Die beiden um die 30 Jahre alten Brüder Georg und Martin Fußer haben sich während unseres Studiums in Geisenheim dazu entschlossen, einige Weinberge aus dem großen elterlichen Betrieb auszugliedern und selbst zu kultivieren. Mit ihrer ganz eigenen Philosophie und Idee. Ihre erste Kollektion entstand mit dem Jahrgang 2007.
Riesling rules! Auf der LAGENART sind sie uns aufgefallen inmitten all dieser großen B's, den Geheimräten und den von und zu's. Nun ja, sie verfügen auch über ebenfalls nicht so ganz unberühmte Weinlagen wie die Mäushöhle, den Paradiesgarten und den Ruppertsberger Reiterpfad. Daraus machen sie ihre Lagenweine No. 1, zwei Rieslinge und ein Spätburgunder. Die Ortsweine heißen Deidesheimer Riesling und Ruppertsberger Riesling.


No. 1 REITERPFAD 2013, Riesling trocken, 13% Alk.

Eine Weinlage, aus der auch das Weingut Reichsrat von Buhl große Rieslinge zaubert. Eine Große Gewächs Lage. Es handelt sich um eine Terrassenlage - ca. 130 m über NN. Der Untergrund besteht aus Buntsandstein mit Kalkeinlagerungen. Der Reiterpfad liegt entlang eines Weges, auf dem einst die Römer mit ihren Pferden zogen. Er ist ringsum durch eine Mauer geschützt, wodurch ein einzigartiges Mikroklima von fast mediterraner Mildheit entsteht.
Das Ergebnis ist ein feinbalancierter Wein mit einer schönen länge. Kraftvolle Präsenz. Ein super Wein! 


PARADIESGARTEN 2013, Riesling trocken, 13% Alk.

In Kern ebenfalls eine Große Gewächslage mit Süd-Ost-Hanglage. Sie geht von 120 bis 170 m über NN. Rote und gelbe Buntsandsteinverwitterungsböden. als Garten Eden in Deidesheim beschrieben. Nachmittags fließt vom Waldrand ein warmer Luftstrom durch den Weinberg, der so dafür sorgt, dass die Reben immer gut durchlüftet sind und Feuchtigkeit abfließt.
Ein fruchtiger feiner Wein, zitronige Anklänge, harmonisch und inspirierend. Die ganze Flasche trinkt sich locker an einem warmen Frühlingsnachmittag auf dem Balkon weg.





WEINLAGEN-INFO

Wer sich für die Lage der Weinlagen interessiert, kann sie auf der Webseite Weinlagen-Info direkt anklicken.

"Weinlagen-Info ist für Leute, denen es nicht egal ist, wo der Wein wächst den sie trinken. Weinlagen-Info wurde von einer Gruppe privater Weinliehaber erstellt, um geographische Informationen zu Weineinzellagen frei verfügbar zu machen. Die Informationen wurden von verschiedenen Autoren erstellt. Die Seite kann kostenlos und ohne Anmeldung genutzt werden."

Paradiesgarten in Deidesheim



Ruppertsberger Reiterpfad (auf Riesling.de mit Beschreibung und Karte)





BUCHEMPFEHLUNG

Wer mehr über die GRUND-LAGEN des Pfälzer Weins erfahren möchte, dem sei dieses Buch empfohlen.

TERRA PALATINA - Von den Grund-Lagen des Pfälzer Weins



Kommentare